Religiöses Showbusiness
Dr. Robert Ennemoser, ein Herr mittleren Alters, nicht
besonders modisch gekleidet, versteckt sich hinter einem Tisch, auf dem ein
Overheadprojektor aufgebaut ist, den er allerdings während des gesamten siebenunddreißigminütigen
Vortrags nicht einmal nutzt.
Er spricht mit salbungsvoller Stimme, nicht besonders
packend, eher mit ermüdender Modulation, aber mit dem Duktus eines Menschen,
der gewohnt scheint, daß man ihm selbst Allgemeinplätze, schwammige Begriffe und
kryptisch-verklausulierte Sätze widerspruchslos abnimmt: „…dann machen wir Erfahrungen, die größer sind, größer insofern, als
ein Mehr an Wiederherstellungskraft verfügbar wird, durch dieses innerliche
mentale Einstimmen darauf, Öffnen dafür, lauschen, Information aufnehmen von dem,
was uns Leben sagt, das göttliche Leben sagt“
Nach seiner rhetorischen Profilierung als Doktor der
Biologie und als studierten Heilpraktiker beschreibt er, als sei dies state of
the art der modernen Wissenschaft, die Grundlage der Lehren von Mary Baker-Eddy,
der Gründerin einer Sekte im
19. Jahrhundert,, die sich irreführend „Christian Science“ (CS) „Christliche
Wissenschaft“ nennt [1])..
Irreführend, denn von Wissenschaft im klassischen
Sinne kann nicht die Rede sein: Als ich vor Jahrzehnten erstmals den Begriff „Christian
Science“ las, erwartete ich, bei meinen Recherchen auf eine weltweite
Vereinigung von Wissenschaftlern christlichen Glaubens zu stoßen, die sich mit
dem Verhältnis ihrer Religion zur orthodoxen Wissenschaft beschäftigen. Meine aktuelle Umfrage
bestätigt, daß auch heute noch bei Nennung dieses Begriffs diese Einschätzung
erfolgt. [2]).
Gott ist Liebe
Frühjahr 2011. Ich sitze in einer sogenannten Kirche
der CS in Freiburg i.B. In goldenen Lettern prangt unter einer Art in die
Breite gestreckter Kanzel „Gott ist
Liebe“.
Dr. Ulrich von Burski, pensionierter ehemaliger
Kammervorsitzender des Freiburger Verwaltungsgerichts, spricht, assistiert
von seiner Ehefrau Michaela, ebenso salbungsvoll wie Ennemoser. Viel ist von
Liebe und von Wahrheit die Rede, Bibelstellen über die Brüderlichkeit werden
zitiert – vom gleichen Ulrich von Burski, der während seiner beruflichen
Laufbahn möglicherweise Gottes Liebe wohl nicht immer und überall wirken sah,
sondern zumindest einem Bruder aus einem anderen Kulturkreis eher mißtrauisch
zu begegnen empfahl. [3]).
Begriffswirrwarr als Methode?
Sekten arbeiten gerne mit schwammigen Begriffen – was
dient der Manipulation besser, als eine Terminologie, die bei Umgehung des
Verstandes direkt ans Herz geht!?
Der Begriff des „Gemüts“
zum Beispiel taucht sowohl in Baker-Eddys zentralem Werk [4])
immer wieder auf, als auch im heutigen „Gottesdienst“ in den mit schwermütiger
Miene vorgetragenen Rezitaten offensichtlich eher nach dramaturgischen als
nach inhaltlichen Aspekten zusammengestellter Bibelstellen, mal aus dem
sog. Alten, dann wieder aus dem sog. Neuen Testament, alles feierlich
vorgetragen, als erlebten gerade alle ihr letztes Stündchen oder wohnten ihrer
eigenen Abdankung bei.
Als ich später im Foyer Michaela von Burski bitte, mir
diesen zentralen Begriff ihrer Lehre („Gemüt“)
zu erklären, resigniert sie und reicht die Frage an einen liebenswerten, aber
mit dieser Frage völlig überforderten Helfer weiter, der hinter dem Tresen
Prospekte anbietet.
Im Gespräch mit ihm erfahre ich jedoch, daß er zwar schon
seit über einem Jahrzehnt Mitglied der Bewegung ist und hier seinen Dienst tut.
Nur – über „Gemüt“ habe er noch nie
nachgedacht…
Während der Zeremonie fielen auch zahlreiche andere Begriffe,
die ich im Werk von Baker-Eddy vorher bereits mit Fragezeichen versah.
Zugegeben: Das Original im Englischen bedeutet für Übersetzer eine echte
Herausforderung (ich habe beide Versionen verglichen und fand zahlreiche
Passagen, die durchaus auch anders übersetzt und damit interpretiert werden
könnten).
Das erwähnte Werk erhebt übrigens einen hohen Anspruch,
nämlich nicht mehr und nicht weniger einen „Schlüssel
zur Heiligen Schrift“ zu liefern – als der Weisheit letzter Schluß – als hätte
es nie wesentlich intelligentere und der Wahrheit eindeutig näher kommende
Exegesen gegeben [5]).
Mary Baker-Eddy, die drei Ehemänner hinter sich ließ,
den Wunderheiler Phineas P. Quimbey geradezu anbetete, der „alle Medikamente verteufelt und behauptet, daß einzig und allein das
Vertrauen in den Heiler die Patienten gesundmacht und selbst an Magenkrebs
stirbt“ [6])
stirbt selbst, obwohl sie vorher aus ihren „Erkenntnissen“ zu solch brillanten
Schußfolgerungen kommt wie der: „Der
Körper kann nicht sterben, weil Materie kein Leben hat, das sie verlieren
könnte“ quod erat demonstrandum?
Auf der Webseite von CS findet sich sogar die
Behauptung: „Mary Baker Eddy studierte
und erforschte die Bibel auch in Originalsprachen und entdeckte, daß hinter den
Heilungen und Anweisungen ein erlernbares wissenschaftliches Prinzip steht“.
Peinlich ist nur: Recherchen in Baker-Eddys Biographie
ergeben, daß sie weder des Aramäischen noch des Hebräischen noch des
Altgriechischen mächtig war – Sprachen, ohne deren Kenntnis und ohne Zugang zu den
in diesen Sprachen verfaßten Originalen ist eine solide Exegese weder des sog.
Neuen noch des sog. Alten Testaments jedoch schlichtweg unmöglich.
In einer sogenannten
„Lesung“ (vom 14.12.2011) versteigt sich die Sekte dann aber wieder zu der
Behauptung:
Jesus war
der höchste menschliche Begriff vom vollkommenen Menschen. Er war untrennbar
vom Christus, dem Messias — der göttlichen Idee Gottes außerhalb des Fleisches. Das befähigte Jesus, seine
Herrschaft über die Materie zu demonstrieren. Engel verkündeten den Weisen der
alten Zeit diese zweifache Erscheinung, und Engel flüstern sie dem hungrigen
Herzen in jedem Zeitalter durch den Glauben zu.
Krankheit
ist Teil des Irrtums, den Wahrheit austreibt. Irrtum wird Irrtum nicht vertreiben. Christian
Science ist das Gesetz der Wahrheit, das die
Kranken auf der Grundlage des einen Gemüts oder Gottes heilt. [7])
Obwohl die Gründerin der „Christlichen Wissenschaft“
die Wirkung von Medikamenten stets leugnet, nimmt sie selbst in ihrem letzten
Lebensjahrzehnt zahlreiche Medikamente und stirbt im
89. Lebensjahr an einer Lungenentzündung.
Jenes „erlernbare
wissenschaftliche Prinzip“ wird weder in Baker-Eddys Elaborat noch in
Ennemosers oder von Burskis Ausführungen in wenigen klaren Gedanken auf den
Punkt gebracht.
Was Wunder auch: Denn wie aus dem Lehrbuch der
manipulierenden Rhetorik wirkt die Akrobatik der wie jonglierte Ringe durch
die „heiligen“ Hallen wirbelnden Worthülsen dieser Veranstaltung.
Während der gebetsmühlenartig vorgelesenen Bibeltexte
des Paars hinter dem heiligen Tresen kommt mir Arno Plack in den Sinn: „Wo die Realität uns enttäuscht, tritt um so
intensiver die Zauberkraft der Worte hervor. Wir wissen oder ahnen zumeist, daß
wir uns nicht recht aufeinander verlassen können, weil spontane Mitmenschlichkeit mit Appellen an unser Pflicht- und Verantwortungsgefühl
uns ausgetrieben wurde und weil den vielen unzärtlich Erzogenen die Liebe zum
Nächsten erst mit Worten gepredigt werden muß.“ [8]).
Alles …schein(t) heilig
Erschreckend ist jedoch der allen Kirchen und Sekten
eigene Schleier der Heiligkeit, des Unantastbaren der vorgetragenen Wahrheiten,
der wie Mehltau über diesen Zeremonien liegt, so auch hier in Freiburg an
diesem Sonntag Vormittag.
Und natürlich permanente Hinweise darauf, daß allein
die „Christliche Wissenschaft“ den
Schlüssel zur Heilung von irdischem Leid liefere – du sollst keine anderen
Götter neben mir haben!? (Die Anwesenden sehen am Tag meines Besuchs dort übrigens
nicht alle so aus, als wären sie von irdischem Leid bereits geheilt…)
Prof. Gerhard von Rad zum Thema des Alleinanspruchs: „An drei Stellen ist nämlich das Verbots
jeglichen Fremdkults mit dem Hinweis auf Jahwes Eifer verbunden: „denn Jahwe
ist ein eifriger Gott (Ex.20s, 34/14, Dt. 614f). An jeder dieser Stellen ist
der mit „denn“ eingeführte Nachsatz im Sinn einer Legalinterpretation, also
als theologische Begründung, zu verstehen. (…) Nun wird aber auch Jahwes Eifer
seinerseits mit seiner Heiligkeit aufs engste in Verbindung gebracht (besonders
Jos.24/19), dergestalt, daß sein Eifer einfach als eine Äußerung seiner Heiligkeit
verstanden wird.“ [9])
Nur nicht anderen als der eigenen Sekte dienen, denn
sonst wird es eng, streng nach biblischer Vorschrift: „Wer anderen Göttern opfert, der muß vom Leben zum Tode gebracht werden“
(Ex.22/20)
Wertsuche
Da Religionen jedoch auf gleicher Ebene wie Ismen und
Ideologien jeglicher Art stehen und in aller Regel patriarchal geprägt sind, hüllen
sie sich verzweifelt in den Kokon des Begriffs der Heiligkeit, des über dem
Irdischen stehenden. Um sich eine Art Immunität vor den Angriffen profanen,
aber höchst klugen menschlichen Denkvermögens zu verschaffen?
„Das Gemeinsame
aller Sekten und Freikirchen ist das Bestreben, eine religiöse Antwort auf psychologische
Fragen zu geben, und sie nützen damit das konkrete, rationelle Bedürfnis der
Menschen nach irrationalen Möglichkeiten der Angstbekämpfung aus.“ [10]
Denn Zeremonien, Rituale und endlose Verweise auf
heilige Schriften und in unseren Breiten nicht selten auf den lieben Herrn
Jesus und seine Taten und Äußerungen sollen einschüchtern, uns selbst als
sündig, klein, wertlos und der Erlösung bedürftig erscheinen lassen, unsere
Ängste also eher bestätigen als trösten. Was natürlich bei Nennung der Fakten
rund um das tatsächlich (nicht) überlieferte Wirken und Reden Jesu zumindest
verunsichert.
Rudolf Hoppe, Professor für Exegese des Neuen Testaments an der
Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, zum Umgang mit
Bibeltexten: „Ich weiß, daß das mühsam ist, aber ein rein gegenständliches
Fürwahrhalten ist letztlich auch keine tragfähige Basis, um mit den abgründigen
Erfahrungen, die jeder in seinem Leben macht, fertig zu werden. Und irgendwann
kommt die Emanzipation von einem rein gegenständlichen Fürwahrhalten. Entweder
lege ich dann diese Tradition als für mich unwesentlich ab, oder ich versuche
doch, größere Zusammenhänge zu verstehen und gewinne ein Verhältnis auch zu der
Wirklichkeit des Symbolischen. … Es ist notwendig, daß wir unsere real
existierende Welt, in der wir leben und die nun einmal von Naturwissenschaft,
von einer Computerstruktur geprägt ist, daß wir die ernst nehmen und daß wir
die auf die Welt des Glaubens beziehen, diese beiden Welten miteinander ins
Gespräch bringen. Denn wenn wir als gespaltene Menschen leben, dann werden wir
ja schizophren. … Auseinanderdriftende Welten müssen da zusammengeführt
werden und ich meine, daß mit einem reflektierten Zugang zur Überlieferung auf
diesem Weg einiges zu gewinnen ist und daß man über vermeintlichen Grenzen des
Kinderglaubens hinauskommen muß. [11]).
Wie ich in meinem Essay „Ich bin klein / mein Herz ist rein – über die Manipulierbarkeit
suchender Frauen“ darlegte [12]),
sind es erfahrungsgemäß vorwiegend Menschen mit schwerwiegenden, für sie
nicht beantworteten Wertefragen, mit Selbstzweifeln, mit Krankheiten, bei denen
„nur noch Gott helfen kann“ [13]),
die Opfer der „heiligen“ Sektenideologien werden.
Hermann Broch: „(…)
es sind vor allem «wertgefährdete» Menschen, welche am widerstands losesten
und raschesten von einem Massenwahn ergriffen werden, Menschen, die entweder
infolge ihrer eigenen Unfähigkeit oder infolge der Mängel des Wertesystems
ihrer Lebensumgebung (…) ihren Platz im System sei es nicht finden konnten,
sei es verloren haben, und die hierdurch sowohl ökonomisch wie sozial wie
seelisch in schwerste Unsicherheit gestürzt sind; das Gespenst der vollkommenen
Wertlosigkeit (…) steht hinter diesen Menschen, und aus solcher Panik heraus
führt eigentlich kein anderer Weg als der zu einer «Ersatzgemeinschaft“[14]).
Und Broch prägt die Unterscheidung zwischen offenen
und geschlossenen Systemen (wobei Religionen, Freikirchen, Sekten und dergl.
ausnahmslos unter geschlossene Systeme zu subsumieren sind): „Soweit die Normen formuliert sind, treten
sie mit dem Anspruch auf Wahrheit auf (…) Sowohl das offene als auch das
geschlossene Wertsystem streben nach Absolutheit, d.h. zur kompletten Bewältigung
der Realität. Das Wahnhafte am geschlossenen System – auch in dem des Individuums
– liegt in dem Bestreben, diese Arbeit mit den einmal festgestellten Axiomen
bewältigen zu können. Der Psychotiker tut dies im allgemeinen ohne Rücksicht
auf die Weltrealität, da er diese nicht mehr sieht; der Neurotiker versucht,
die Weltrealität nach seinen subjektiven Normen zurechtzubiegen.“ [15]).
Alles … heilig?
Die Theologie bietet die unterschiedlichsten
Definitionen des Terminus „heilig“ [16])
und greift zu geschraubten Formulierungen, die dem Menschen des 21.
Jahrhunderts wohl schwer zugänglich sind. [17])
Für die einschüchternde Wirkung, die Sekten,
Freikirchen und Religionen im Allgemeinen einige wenige ausgenommen, bei
Menschen hervorrufen, ist das sich umgeben mit „Heiligem“ sozusagen conditio
sine qua non ihres Erfolgs: Der Mensch muß vor etwas zittern, etwas fürchten,
was angeblich weit über ihn hinausreicht.
Daß dem besonders beim biblischen Volk so war, belegen
Sätze wie diese: „Und es sagten die Leute
von Betshemesh: Wer kann stehen vor Jahwe, dem heiligen Gott?“[18])
Claus Westermann: „Der
Begriff (des Heiligen, Anm. d. Verf.) hat im Alten Testament eine Geschichte,
er ist der geschichtlichen Wandlung unterworfen. Am Anfang zeigt die Lade-Erzählung
(1.Sam.4-6; 2.Sam.6) einen Heiligkeitsbegriff, dem noch ein starkes Element des
Inpersonalen eignet. Die Lade birgt Jahwes Heiligkeit, aus der Tod und Leben
kommen kann. Auch hier ist das personale
Element schon beherrschend geworden (…).[19])
Nun ist es aber ausgerechnet die Bundeslade, die
sowohl in der neuzeitlichen Bibelexegese als auch durch die unterschiedlichsten
interdisziplinär arbeitenden Wissenschaftler längst als alles andere als
„heilig“ entlarvt wurde:
„…daß die
Stiftshütte zu Moses´Zeiten einen ziemlich vollständigen Apparat elektrischer
Instrumente enthalten habe. Lebensgefahr muß nach den Talmudisten immer mit
diesem Gange in das Allerheiligste verbunden gewesen sein. Der Hohepriester
trat ihn stets mit einer gewissen Ängstlichkeit an und machte sich einen guten
Tag, wenn er glücklich zurückkam“ [20]).
Sie wurde mehrfach gemäß den Angaben in den alten
Schriften nachgebaut und entpuppte sich inzwischen als ein intelligent
konstruiertes elektromagnetisches Instrument – also nur …scheinheilig… (s. auch die Werke von Erich von Däniken zu dieser
Thematik, u.a. „Die Götter waren
Astronauten – eine zeitgemäße Betrachtung alter Überlieferungen“).
Pars pro toto
Da ich in den 1990ern mit Muslimen lebte, um deren
Alltag und Denkweise, damals speziell im Umgang mit Geld, zu verstehen (s. div.
Publikationen hierzu u.a. Basler Zeitung, MONETA, SZ etc.); da ich
Aussteigerinnen und Aussteiger der kriminellen SCIENTOLOGY-Sekte im nächsten
Bekanntenkreis in der Schweiz jahrelang begleitete; da ich den Leidensweg
einer Dame miterlebte, deren Mann der Sekte der Pfingstgemeinde in die Hände
fiel und dafür seine Ehe opferte;
Da ich mehrmals in Messen der sogenannten
Neuapostolischen Kirche saß, dem so genannten „Apostel“ lauschte, verdichtet
sich der Eindruck:
Jede Sekte steht für die andere, die Inhalte wechseln,
aber die Machtinstrumente, die Werkzeuge der Manipulation, das Druckmittel des sich
Beugen müssens vor dem als mit dem Terminus „Heilig“ Belegten, gleichen sich
oft wie ein Ei dem anderen – der Teil für das Ganze, pars pro toto…
Meine jahrelangen Beobachtungen und Recherchen bei
Menschen, die stundenweise Hochheiliges predigen bestätigen, was längst
Allgemeinwissen ist: Daß auch bei Sekten- und Freikirchenmitgliedern nur mit
(materiellem, menschlichen) „Wasser gekocht wird!
Seitensprung und Eifersucht gehören (zumindest in dem
von mir präzise recherchierten Fall einer leitenden Persönlichkeit der
„Christlichen Wissenschaft“) ebenso dazu wie das Festhalten an der angeblich
ja gar nicht existenten Materie, in Form von Geld, Sachwerten, einer Yacht und
einem beachtlichen Vermögen, das Jesus wohl – sofern er es überhaupt erst erworben
hätte –wahrscheinlich unter den Armen verteilt hätte … aber DER ist ja nur der
„galiläische Prophet“….
All dies scheint lediglich eine Bestätigung der
Tatsache, daß nicht die Sekten an sich das Problem sind, sondern die
individualpsychische Verfassung ihrer Protagonisten, die (nach Nietzsche) menschlichen-allzumenschlichen Schwächen
jener, die Heiligkeit als Schwimmweste in turbulenten Alltagsgewässern tragen,
in Gewässern, die sie alleine weder durch Kraft ihrer Persönlichkeit noch
durch die von der Kanzel gepredigten Heilslehren bewältigen können – was über eine
Psychotherapie langfristig wohl wirkungsvoller zu lösen wäre als über
gebetsmühlenartig wiederholte Rituale einer Sektenideologie.
„Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich!“
Die Widersprüchlichkeit des sog. Neuen Testaments
zeigt sich in diesem (angeblichen) Ausspruch Jesu auf: Während Matthäus dem
„Herrn“ dieses Wort in den Mund legt [21]), lassen Markus und Lukas Jesus da ganz anderes
denken: „Wer nicht wider uns ist, der ist
für uns!“ [22])
– na, was jetzt?
Für Christen, Juden und Muslime, für Pseudo-Wissenschaftler
mit Christentouch, für Scientologen, für Pfingstler und Jehovas Zeugen und
und und gilt der aber eindeutig gleiche Slogan wie für die Fans von Schalke 04:
„Wir!!!“.
Was natürlich auch für Ideologien jeder Art gilt
(geschlossene Systeme, s. Broch), aber auch bedeutet: An den Aktionen der Protagonisten
von Religionen, Kirchen, Sekten ist, gemäß der o.g. Definition von Rudolf
Sment, in Tat und Wahrheit nichts „heilig“,
sondern es menschelt, wohin man
sieht.
Signifikant ist ein Merkmal: All diese
Manipulationsinstrumente, ob Kirche, Religion oder Sekte genannt, fußen auf männlich-postpupertären Verhaltensmustern
und werden häufig von emotional schwachen, nicht selten psychopathischen
Männern geleitet (s. die Mißbrauchsfälle in der katholischen Kirche) – Frauen
spielen bei Sekten und Religionen nämlich kaum eine Rolle, es sei denn als
schmückendes Beiwerk oder, wie im Fall von Frau von Burski, als Dame, die zu
gehorchen hat [23])
Erzogen von einer bayrischen Großmutter in einem
streng katholischen Umfeld, bei dem wir Kinder vom Herrn Geistlichen Rat noch
eingeschüchtert wurden mit der Warnung vor Todsünden, die uns direkt in die
Hölle katapultieren würden, täten wir es zum Beispiel wagen, auf die Hostie zu
beißen, weil dann das Blut Jesu´ herausfließen würde und die ganze Gemeinde
diese Sünde sehen würde, bin ich von diesem Thema existentiell berührt.
Denn: Wer wäre es nicht, wenn ihm, im Falle eines
Widerspruchs gegen die Doktrin der jeweiligen Sekte, der Ausschluß droht? Sei
es nun in der Form, daß sie oder er nicht mehr mit den anderen
Sektenmitgliedern sprechen, verkehren darf und kann oder daß ein innerer
Ausschluß durch ein selbst gewähltes schlechtes Gewissen erfolgt: Das Ergebnis
bleibt meist das, was ich bei meiner Informantin über die Praktiken von CS
erleben mußte, nämlich Sehnsucht nach Rückkehr in den Schoß der Gemeinde, und
sei diese Gemeinde auch noch so klein [24]).
Die „Allgemeine
I. Kirchenversammlung im Vatikan, 3. Sitzung (1870)“ legte folgenden (bis
heute gültigen!) Lehrsatz fest: „Wer
nicht bekennt, daß die Welt und alle Dinge, die in ihr enthalten sind, geistige
wie körperliche, nach ihrer ganzen Substanz von Gott aus dem Nichts hervorgebracht
worden sind,
oder wer
sagt, Gott habe nicht mit freiem Willen ohne alle Notwendigkeit geschaffen, sondern
so notwendig, wie er sich selbst notwendig liebt,
oder wer
leugnet, die Welt sei zur Verherrlichung Gottes geschaffen, der sei …
ausgeschlossen.“[25])
Bilanz(en)
Es ist mehr als eine Bilanz, die nach all diesen
Erkenntnissen zu ziehen ist.
Die erste – meine!
erste aus rein menschlicher Sicht: Wer
heilt, hat recht!
Wenn Menschen das Gefühl vermittelt wird, sie seien
geborgen, werden geliebt, anerkannt, akzeptiert wie sie sind, und wenn diese
Menschen sich dann besser fühlen als vorher, bevor ihnen diese (für sie
stimmige) Erfahrung zuteil wurde, dann … laß sie gehen in Frieden!
Die zweite Bilanz: Im Namen der Religion geschehen
mindestens so viele Verbrechen an der Menschlichkeit wie im Namen des Gottes
Mammon!
Das hilfesuchende, nicht selten verzweifelte
Individuum wird zu einer weiteren Kugel im Billardspiel von Männern, die sich
als Priester im Namen eines (Schein)Heiligen aufspielen.
Die dritte Bilanz: Es gibt immer weniger starke,
geistig klare, wahrhaftige, selbstlose Männer, aber immer mehr inzwischen nicht
selten vergreisende Schwächlinge, die durch Selbsterhöhung und umgeben mit Schein Heiligkeit ihren Reibach machen mit
gutgläubigen Mitmenschen, was zu Bilanz Nummer vier führt, die wir
aus der Versammlung der Kölner Kirchenprovinz
von 1860 entnehmen (und die bisher unwidersprochen ist in der katholischen
Theologie):
„Übernatürlich
und ungeschuldet war auch die volle Unterwerfung der Begehrlichkeit unter die
Herrschaft des Verstandes d.h. jenes erhabene Geschenk der Unversehrtheit,
durch welche Gott die Bewegungen und Begierden der Seele im Menschen so
ordnete, daß sie immer dem Befehl des Verstandes gehorchten.
Da nämlich
der Mensch aus einer verstandesbegabten Seele und einem Leib besteht, so kann
es an sich geschehen, daß er sich dazu drängen läßt, die Güter des Leibes mehr
zu suchen, als die der Seele, und daß die Begehrlichkeit aufständisch wird. (…)[26]
Ja:
Aufständisch werden scheint das Gebot der Stunde!
Wenn
Religionen und vor allem deren Repräsentanten nicht mehr verläßlich für Wahrhaftigkeit und Wahrheit stehen, sondern nur
noch durch schwammige, Respekt heischende Phrasen ihre Machtposition behaupten
wollen, müssen wir alle unsere eigene
Wahrhaftigkeit suchen und finden.
Spiritualität ohne den
Umweg über patriarchalische Machtstrukturen, sondern eher durch Stärkung
der weiblichen Komponenten in der Gesellschaft, zum Beispiel.
Über die Verwerflichkeit
des Leibes und seiner Bedürfnisse durfte ich bei der „Christlichen
Wissenschaft“ ebenso wie bei den meisten anderen Sekten einiges hören – die
Botschaft hört` ich wohl, allein: Mir fehlt der Glaube. Eine heimliche Geliebte
hier [27]),
eine homoerotische Beziehung dort [28]) – „Homo
sum. Humani nil alienum puto! [29])
[1]) nachzusehen
und -zuhören unter
http://www.youtube.com/watch?v=5noJVS2nJAM&feature=mfu_in_order&list=UL
[2])Hugh Lorenz,
Zwischen heilig und schein-heilig – Über Heilsversprechen von Sekten zwischen
Anspruch und Realität. (Radio)Feature in Bearbeitung
[3])
„Schon im
April war das Freiburger Gericht wegen gleicher Vorwürfe in die Schußlinie
geraten: Kammervorsitzender Ulrich von Burski sollte Textpassagen wie in
Pakistan sei „Unehrlichkeit geradezu als ein sozialtypisches Phänomen zu
betrachten“ nachträglich in das Asyl-Urteil von Richter Thomas Mücke eingefügt
haben. Inzwischen sind die Ermittlungen eingestellt. Begründung: Mücke habe
diese Änderungen zwar auf Anregung von Burskis, letztlich aber eigenständig
übernommen“.
Quelle: FOCUS Online Nr. 19/95
[4] ) Science and health with the key to the scriptures.
Published by the Trusted under the will of Mary Baker G. Eddy Boston,
U.S.A.
[5])
z.B. Friedrich Weinreb Der göttliche
Bauplan der Welt – der Sinn der Bibel nach der jüdischen Überlieferung, ORIGO 1978
[6])
s. dazu auch „Sekten und Freikirchen“, Peter Stiegnitz, hpt-Verlagsgesellschaft
Wien 1989 S. 114 (Christliche
Wissenschaft und G: Materie und Millionen – eine Sektengründerin hält Jesus nur
für den „galiläischen Propheten“. Diese Sekte ohne Priester und Prediger hält
Gottesdienst ausschließlich für Erwachsene, ff.)
[7])
Eine Kopie der Lesung liegt dem Autor vor
[8])
Arno Plack,
Ohne Lüge leben. Zur Situation des Einzelnen in der Gesellschaft. Buchclub Ex
Libris (Zürich), S. 35 ff
[9])
Gerhard von
Rad, Theologie des Alten Testaments (Band I). Chr. Kaiser Verlag München 1962.
S 217
[10]) „Sekten und Freikirchen“, Peter Stiegnitz,
hpt-Verlagsgesellschaft Wien 1989 S. 16
[11])
Der
historische Jesus. Deutschlandfunk, 26.12.2002, 20.05 Uhr
[12])
Hugh Lorenz, „Ich
bin klein / mein Herz ist rein – über die Manipulierbarkeit suchender Frauen“
Edition Jonathan 2007
[13])
Meine
Informantin über den inneren Zirkel der CS – Freiburg, die während ihrer
Sektenmitgliedschaft an Krebs erkrankte, erlag selbst nicht dem Heilsversprechen
von Mary Baker-Eddy, sondern griff auf orthodoxe medizinische und
alternativ-biologische Methoden zurück – und besiegte den Krebs.
[14]
) Hermann
Broch, Massenwahntheorie, Suhrkamp1979 S. 280
[15])
daselbst,
S. 253
[16] ) s. z.B.
THEOLOGIE VI x 12, Kreuz-Verlag Stuttgart 1967, S. 36 ff
[17])
„Der
Ausdruck qados (heilig) besagt nichts anderes, als daß Gott in vollstem Sinne
Gott ist“ Rudolf Sment, Alttestamentarische Religionsgeschichte, S. 206
[18]) 1.Sam.6,20
[19] Claus
Westermann, Das Heilige, in THEOLOGIE VI x 12, Kreuz-Verlag Stuttgart 1967, S.
38
[20]) Bendavid,
Lazarus, in: Neues Theologisches Journal. Nürnberg 1898
[21])
Matthäus, 12.30, von modernen Diktatoren gerne kolportiert, u.a. von George W.
Bush 2001
[22])
Markus 9/40, Lukas 9/50
[23])
Während meines
erwähnten Besuchs eines sog. Gottesdienstes in Freiburg raunte Herr von Burski
seiner Frau deutlich hörbar zu: „Jetzt zusammen aufstehen, daß sieht besser
aus!“ Frau von Burski gehorchte – und das Paar erhob sich synchron und
choreographisch einwandfrei…
[24])
Die Gemeinde
der CS in Freiburg bewegt sich seit 2002 nach Auskunft einer weiteren verläßlichen
Informantin immer auf dem gleichen Besucherlevel, maximal 10 – 15 Personen pro
Veranstaltung und immer dieselben, vom Autor auch über Wochen selbst so erlebt.
[25])Quelle: Der
Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung, neubearbeitet von Karl
Rahner und Karl-Heinz Weger, Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1971. S 196
[26]) aus: Der
Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung, Verlag Friedrich Pustet
Regensburg, S. 221 ff
[27]) Die heimliche
Geliebte „Zauberfee“ eines Sektenrepräsentanten der CW
[28])
Pfingstgemeinde
Belfort (F)
[29]) Ich bin ein Mensch, und nichts Menschliches achte ich
mir fremd. Heautontimorumenos
(77) Ternez.